Es ist Freitag, aber kein gewöhnlicher. Viele legen heute ihre Arbeit nieder oder gehen nicht zur Schule. Auch ich streike heute und in Berlin wird es sehr deutlich, dass ich da nicht alleine bin. Ich überlege, wie ich zum Treffpunkt an der Demonstration komme, da ich davon ausgehe, dass die U-Bahnen und Straßenbahnen gegen halb elf bereits überlastet sein werden. Also nehme ich das Fahrrad, passt ja auch eigentlich ganz gut zum Thema.
Ums Klima soll es heute gehen. Fridays for Future haben alle Menschen aufgerufen an ihrem freitäglichen Protest für eine zukunftsfähige Klimapolitik auf die Straße zu gehen, egal ob jung oder alt. Schon aus einiger Entfernung wird deutlich, dass wirklich Viele ihrem Aufruf gefolgt und auf den Straßen unterwegs sind. Ich fahre am Potsdamer Platz vorbei. Überall ist Gewusel, kleine Grüppchen, die beisammenstehen oder im Park auf dem Boden sitzen und sich unterhalten. Die Luft ist aufgeladen mit Vorfreude, Hoffnung und Willen zur Veränderung.
„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“Ich kann es gar nicht fassen, wie viele ihren Weg hierher gefunden haben. Es sind Schülerinnen und Schüler, Student*innen und jede Menge Erwachsene. Es ist bunt und einfallsreich. Viele haben Schilder gemalt, sind verkleidet oder rufen schon jetzt Slogans. Immer wieder ertönt: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“. Man hört Kinderlachen, Gemurmel, und Bässe. Wenige Meter von unserer Gruppe entfernt, steht ein Wagen mit großen Lautsprechern, vermutlich aus der Clubszene. Verschiedene bekannte Künstler spielen zwei, drei Lieder, um gute Stimmung zu verbreiten und ihre Unterstützung für die Proteste auszudrücken. Interessanter aber scheinen mir die Rednerinnen und ganz besonders Carola Rackete, die als Kapitänin der „Seawatch 3“ im Juni diesen Jahres Dutzende Flüchtende auf dem Mittelmeer rettete und ohne Erlaubnis in einen italienischen Hafen einfuhr. Darüber hinaus, oder vielleicht genau aufgrund ihrer Erfahrung, ist sie im Klimaschutz tätig.
Eine eher traurige Ansprache
Sie beginnt ihre Rede mit einer Vorwegnahme: es wird kein „Berlin, wo seid ihr?“-Ausruf geben, wie von der Band Culcha Candela vor ihr, und es wird auch nicht besonders fröhlich. Ihre Rede werde wohl eher traurig. Sie freue sich, so viele Menschen auf der Straße zu sehen. Aber man dürfe nicht dem falschen Glauben verfallen mit diesem einen Tag sei es getan. Nein, wir brauchen tiefgreifende Veränderungen, die nicht nur angenehm werden. Sie macht deutlich, wie wackelig unser globales Ökosystem ist und wie gefährdet, wichtige Kipp-Momente zu überschreiten. Sie kreidet die geringe Tatkraft der Politik an, die sich von wirtschaftlichen Profitinteressen einschränken lässt. Sie spricht über das Finanzsystem und darüber, was der Kapitalismus mit der Klimakrise zu tun hat. Carola Reckete malt mit ihren Worten einen grauen Himmel und trifft damit genau ins Schwarze.
Bewegung in Mecklenburg-Vorpommern
Der Streik am 20. September 2019 lässt sich zu Recht mit mehr als 500 Aktionen im Bundesgebiet als eine der größten Demonstrationen Deutschlands bezeichnen. Weltweit waren es sogar 1,4 Millionen.
In Mecklenburg-Vorpommern sind an diesem Tag 13.000 Protestierende in den Städten zusammenzukommen, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen. In Demmin fanden sich 170 Menschen, die ein gemeinsames Ziel hatten.
Das ist ein großer Erfolg. Nichtsdestotrotz soll noch mehr folgen. Es reicht nicht diesen einen Tag zu streiken und zu hoffen der eigene Anteil sei damit bewältigt. Wir müssen weiter Aufmerksamkeit erzeugen und auf die Mechanismen lenken, die drastisch auf unser Ökosystem einwirken. Sorgen wir jetzt dafür, dass der Stein im Rollen bleibt!